Hier berichten wir von unseren Erfahrungen im Online-Dolmetschen; allgemein und mit konkreten Programmen. Und geben Tipps und Beispiele, worauf zu achten ist, wenn ihr eine Online-Veranstaltung mit Verdolmetschung plant.
Unsere allgemeinen Hinweise und Überlegungen zum Dolmetschen gelten natürlich genauso auch für Online-Veranstaltungen. Diese findet ihr hier: WIE WIR ARBEITEN
Welche technischen Lösungen von welchen Anbietern genutzt werden, ist immer auch eine politische Frage. Was die Nutzung von kommerziellen vs. Open-Source-Anbietern angeht, verweisen wir auf den Leitfaden des bla-Kollektivs. Dort finden sich auch Links zu verschiedenen Servern von Open-Source-Programmen. https://bla.potager.org/resources-for-online-interpretation/
Allgemeine Hinweise zu Online-Veranstaltungen mit Verdolmetschung
Technik-Ansprechperson/-Team: Von Seite der Veranstalter:innen sollte es eine Person oder ein Team geben, die die technische Orga übernehmen. Sie sollte sich auskennen und nicht in der Veranstaltung selbst als Teilnehmer:in oder Sprecher:in involviert sein. Sie sollte vor der Veranstaltung gemeinsam mit den Dolmetscher:innen einen Technik-Check machen. Es muss vorher geklärt sein, wie sie während der Veranstaltung erreichbar ist: Z.B. im Chat, in welchem Raum, über externes Medium (z.B. Pad, Signal-Chat, etc.).
Technik testen: Es muss genügend Zeit eingeplant werden, die Dolmetscher:innen in den Technik-Aufbau einzuführen und das Setup gemeinsam zu testen. Dafür braucht es Ruhe und Zeit, gleichzeitig sollte es nicht ewig dauern. Die Technik-Person sollte den Test vorher planen. Frustrierend ist ein stundenlanges Technik-Ausprobieren, weil die Verantwortlichen die Technik selbst noch nicht kennen.
Technik-Erklärung für Teilnehmer:innen: Vor der Veranstaltung in der Ankündigung und am Anfang der Veranstaltung selbst muss den Teilnehmer:innen in allen relevanten Sprachen erklärt werden, wie die Verdolmetschung organisiert ist und was sie machen müssen, um sie in Anspruch zu nehmen. Es muss eine Extra-Erklärung geben für Menschen, die mit Smartphone teilnehmen. Es müssen auch Informationen zu benötigten Apps oder Extrasoftware gegeben werden. So wird verhindert, dass die Technik neue Barrieren darstellt, anstatt dass Barrieren durch Verdolmetschung abgebaut werden.
Kommunikation zwischen Dolmetscher:innen und Podium: Es ist wichtig, dass Dolmetscher:innen mit dem Podium kommunizieren können, zum Beispiel wenn jemand zu schnell oder zu undeutlich spricht oder die Dolmetscher:innen aus anderen Gründen nicht gut dolmetschen können. Wie diese Kommunikation abläuft, muss vorher geklärt werden.
Die Kommunikation über die Moderation laufen oder vermittelt über ein:e Technik-Verantwortlich:e. Kommunikationsweg kann zum Beispiel der öffentliche oder private Chat im Videoprogramm sein, ein externer Chat (z. B. Signal), oder ein Pad. Wichtig ist, dass die Kommunikationsperson oder Moderation dies im Blick hat. Ein Kommunikationsweg kann daraus bestehen, dass die Dolmetscher:innen die Redner:innen unterbrechen, indem sie direkt in den Raum sprechen.
Dolmetschsensible Moderation: Insgesamt ist es online noch schwieriger für Dolmetscher:innen, Personen zu unterbrechen, wenn sie z. B. zu lang oder zu schnell sprechen. Oft schauen die Personen nicht in den Chat, oder nutzen statt PC ein Smartphone, wo der Chat nicht parallel zum Hauptraum angezeigt wird. Oder sie bemerken erst spät, dass gerade noch jemand anders (zu ihnen) spricht. Gerade deshalb ist eine dolmetschsensible Moderation besonders wichtig, die offen ist für Anmerkungen von Dolmetscher:innen und darauf eingeht. Wenn die Dolmetscher:innen nichts verstehen, können sie auch nicht dolmetschen – es muss immer Zeit und Raum geben, diese Probleme zu beheben.
Dolmetschsensible technische Ausstattung: Es ist notwendig, dass alle Sprecher:innen in vernünftige Headsets sprechen. Online-Dolmetschen ist ohnehin schon viel herausfordernder, da braucht es eine gute Tonqualität, die bei schlechten oder gar keinen Headsets oft nicht gegeben ist. Weiterhin können keine eng beschriebenen Dokumente, Film-Untertitel o.Ä. per Screen-Sharing gedolmetscht werden, weil die Schrift dann oft zu klein oder verschwommen ist.
Unsere bisherigen Erfahrungen mit Plattformen und Programmen:
Wir haben über verschiedene Programme in verschiedenen Settings gedolmetscht. Eine Kombination aus verschiedenen Programmen kann nötig sein. Hier stellen wir beispielhaft verschiedene Setups vor, die gern als Inspiration für Online-Veranstaltungen mit Verdolmetschung genutzt werden können. Basierend auf unseren Erfahrungen geben wir Tipps und schildern Probleme bei den jeweiligen Programmen und Setups.
BigBlueButton (BBB)
BBB ist eine Open Source Videoplattform. Wir haben insgesamt gute Erfahrungen mit BigBlueButton gemacht. Für BigBlueButton existiert ein Dolmetschtool. In Absprache können wir unseren Zugang zu diesem Tool kostenlos anbieten. BBB mit dem entsprechenden Tool läuft im Browser und auf dem Smartphone. Man muss dazu keine Software herunterladen. Alle für Dolmetscher:innen nötigen Funktionen (Relais, Sprechen in den Hauptraum, etc) sind vorhanden und funktionieren. Der Zugang läuft allerdings nicht über uns sondern über eine externe Organisation. Fragt uns gerne an für eine genauere Erklärung des Zugangs zum Tool.
Für eine Verdolmetschung ohne Tool mit BigBlueButton schlagen wir folgendes Setup vor:
Hauptraum (all TN und Moderation) + BreakOutRooms für jede Zielsprache.
Die Teilnehmer:innen mit Dolmetschbedarf (also die, die nicht alle Sprachen der VA verstehen) treten je einem Breakout-Room bei (z. B. Raum 1 für EN, Raum 2 für DE) und aktivieren dort die Funktion „nur zuhören“, lassen das Breakout-Room-Tab im Hintergrund offen und kehren zurück in den Hauptraum. Alle Referent:innen und Teilnehmer:innen sprechen immer im Hauptraum. Die Dolmetscher:innen sprechen die Verdolmetschung in die Breakout-Räume. Weil bei BBB jede:r Teilnehmer:in nur einem Breakout-Room beitreten kann, müssen die Dolmetscher:innen dem Hauptraum zwei mal beitreten (das geht nur mit 2 verschiedenen Browsern und entsprechend stabilem Internet), um tatsächlich in 2 Breakout-Rooms sprechen zu können. (Eine theoretische Alternative wäre, dass alle Dolmetscher:innen nur in eine Richtung, also auch nur in einen Raum dolmetschen.) Beim Wechsel von Ausgangs- und Zielsprache ist das etwas nervig – erst muss mensch sich im aktuellen Breakout-Room stumm stellen, dann unter den 4 offenen Tabs das richtige finden, dann im neuen Breakout-Room das Mikro anmachen. Ansonsten hat es bisher gut funktioniert.
Für die Teilnehmenden ergibt sich der Nachteil, dass sie eventuell öfters einzelne Tabs stummschalten müssen, je nachdem, ob sie gerade der Verdolmetschung im Breakout-Room zuhören, oder im Hauptraum ihre Sprache gesprochen wird.
Kompliziert ist, wenn Dolmetscher:innen mit dem Podium kommunizieren/im Hauptraum sprechen wollen. Dann müssen sie erst im Breakout-Room das Mikro ausschalten, den Tab wechseln und das Mikro im Hauptraum anschalten, dauert also immer ca 20 Sekunden, bis Dolmetscher:innen im Hauptraum sprechbereit sind.
Zoom
Bei Zoom gibt es (in der bezahlten Variante) die Möglichkeit einer Dolmetschfunktion.
Zoom wird von einem Softwareunternehmen angeboten und ist eine proprietäre Software. Es ist nicht nachvollziehbar was das Unternehmen mit euren Daten macht.
Wichtig: Die Dolmetsch-Funktion funktioniert nicht in der Webversion. Sowohl auf PC, als auch auf dem Smartphone muss hierfür die aktuelle Version der App installiert sein.
Die Zoomfunktion hat grundsätzlich alle für Dolmetscher:innen benötigten Funktionen außer, dass Dolmetscher:innen nicht im Hauptraum sprechen können, solange sie als Dolmetscher:innen eingeteilt sind.
Hier findet ihr einen von uns erstellten Leitfaden für die Verdolmetschung in zoom:
Weitere Ideen und Erfahrungen
Falls ihr weitere Beratung zum Thema Online Dolmetschen benötigt oder gerne noch mehr Erfahrungsberichte zu verschiedensten Setups hören möchtet, fragt schreibt uns gern eine Mail.